Kein anderes Motiv ist so zentral für das Schaffen Lovis Corinths wie der Akt. Bewusst brach der Künstler mit überkommenen Idealvorstellungen makelloser Körper, die die Kunst vor 1900 prägten. Ob antike oder biblische Szenen, Atelierstudien oder der Blick in zeitgenössische Boudoirs – Corinths meist weibliche Akte bestechen mit ungeschönter Lebensnähe und praller Sinnlichkeit. Drastisch, ja skandalös erschienen sie den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen. Der Vortrag beleuchtet Lovis Corinths Aktbilder im Spannungsfeld von Tradition und aufkommender Moderne: ein gestalterisches Experimentierfeld für seine betont ausdrucksstarke Malerei. Corinths Werke offenbaren einen eigenwilligen Blick nicht nur auf den Körper, sondern auch die gesellschaftliche Rolle der Frau und geben so Zeugnis vom Wandel im Geschlechterverhältnis wie im Umgang mit Sexualität um 1900.
Dr. phil. Barbara Martin studierte Kunstgeschichte und Angewandte Kulturwissenschaft in Karlsruhe sowie Kuratorisches Wissen und Kunstpublizistik in Bochum. Ihr fachlicher Schwerpunkt liegt in der Kunst vom 19. Jahrhundert bis zur Klassischen Moderne. Sie promovierte zum Frauenbild im französischen Plakat des Fin de siècle. Berufliche Stationen umfassten das Landesmuseum Hannover, die Galerie Stihl Waiblingen, die Städtischen Museen Heilbronn sowie das Kunstmuseum Bonn.