Rathaus
Altes Rathaus
Seine große Feuersbrunst erlebte Künzelsau am 20. Juli 1519 – mindestens ein Drittel aller Gebäude müssen ihr zum Opfer gefallen sein. Teile des Schlosses wurden beschädigt, das Rathaus ging ganz in Flammen auf. Der damalige Standort ist unbekannt. Neu aufgebaut wurde das Rathaus 1522, mitten in der Hauptstraße, über dem durch den Ort laufenden Künsbach. Ein solcher Standort hatte den Vorteil, dass der Bach durch Schwellen aufgestaut werden konnte und somit bei zukünftigen Gefahrenlagen sofort Löschwasser bot
Es entstand neu als fränkisches Rathaus, mit einer Markthalle im Erdgeschoss. Auf der Nordseite führte eine Treppe auf eine Altane, über die im ersten Stock in die eigentlichen Verwaltungsräume zu gelangen war. Diese Einteilung blieb allerdings nicht. Alles musste den Bedürfnissen der Zeit jeweils angepasst werden – so befand sich beispielsweise von zirka 1820 bis 1901 im Erdgeschoss das Schlachthaus. Das Archiv im Dachgeschoss wurde erst 1924 eingerichtet. Allein in den vergangenen 130 Jahren wurde das Gebäude mindestens fünf Mal umgebaut.
Im zweiten Stock befand sich der Ratssaal – unter ihm, im ersten Stock, der Tanzboden, der einst der einzige Versammlungssaal im Städtle war. Erst in den anschließenden Jahrhunderten bauten die Gastwirte eigene Tanzsäle. Die Stadthalle war 1937 ein krönender Abschluss dieser Entwicklung. 1909 ist der Ratssaal letztmals gründlich umgestaltet worden. Der Künzelsauer Chronist Augustin Faust schildert, wie er 1691 seine erste Hochzeit hier feierte – drei Tage und drei Nächte lang. Eine finanzielle Herausforderung war es, doch es gab viele Geschenke - lediglich die Gäste aus Öhringen zeigten sich knickerig und kamen mit leeren Händen.
Viele Geschichten und Anekdoten ranken sich um dieses ehrwürdige Bauwerk. Die Erhaltung war sicher nie ganz einfach. Am Anfang war das Dach noch strohgedeckt – der Qualm zog durch das Gebäude. 1806 wurde das Gebäude für die Gebäudebrandversicherung wie folgt beschrieben: „Ein Gebäu, welches mit Einrechnung des Dachstuhls und eines Bödeleins, worauf sich die Uhr befindet, vierstöckig ist und auf allen Seiten freistehet. Im Erdgeschoß Waaghaus, Kornhaus und Schlachthaus. Erster Stock: Tanzboden, daran anschließend Verschlag und Kammer zur Aufbewahrung des städt. Brennholzes und fürs Schlachthaus. Zweiter Stock: Gerichtsstube, Registraturstube, Ratsstube, Bürgerstube.“
1808 war es gefährlich: der Dachreiter stürzte hinunter. Glücklicherweise traf er keinen Menschen – die durch morsche Holzbalken erzwungenen Reparaturen rissen ein Loch in die Stadtkasse. 1843 fehlten teilweise die Türen. 1919 hielt die Allgemeine Ortskrankenkasse Einzug, 1925 das Notariat und 1930 das Arbeitsamt. Alles musste wieder raus, denn die Verwaltung bekam immer mehr Aufgaben zugewiesen und brauchte mehr Raum. Schließlich waren Stadtbauamt, Tiefbauamt, Stadtkasse und anderes mehr auf das Stadtgebiet verteilt, bis 1989 ein neues Rathaus an der Stuttgarter Straße bezogen werden konnte. Das Alte Rathaus wurde in der Zwischenzeit dann Bücherei, Finanzamt, Geschäftsstelle des Nahverkehrs – und konnte im Jahr 2019 nun frisch renoviert seiner zukünftigen Bestimmung übergeben werden: als Stadtbücherei und Ort der Begegnung.
„Gan“ kommt aus dem Mittelhochdeutschen und heißt „gemeinsam“, „erben“ sind die Erben.
Eine Ganerbschaft war nach altdeutschem Erbrecht das gemeinsame Familienvermögen, vorwiegend Grundbesitz, über das die Ganerben nur gemeinsam verfügen konnten. Nach heutigen Rechtsbegriffen entspricht dies einer Gesamthandsgemeinschaft (beziehungsweise „Gemeinschaft zur gesamten Hand“).
Gegenstand solcher Rechtsverhältnisse war meist ein gemeinschaftlich erbautes oder erobertes Schloss oder eine Burg. Letztere wurde dann als Ganerben-burg bezeichnet. Die friedliche Koexistenz der Erben, die Regeln des täglichen Nebeneinanderlebens sowie die Nutzungs- und Benutzungsrechte gemeinschaftlicher Bauteile wurden meist durch sogenannte „Burgfriedensverträge“ (kurz: Burgfrieden) umfassend geregelt.
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