Blick auf das neue Rathaus in Künzelsau.

Theaterexperiment im Alten Bauhof Künzelsau

Theater im Fluss präsentiert szenische Collage aus Beckett, Nestroy und Menschenrechtstexten in extravagantem Ambiente

Vier Menschen spielen Theater auf einer weißen Fläche.
Theater im Fluss tritt am 9. September im Alten Bauhof in Künzelsau auf. Foto: Theater im Fluss.

Coronabedingt ein zweites Jahr ganz ohne Theater im Fluss? Nein, das kann und darf nicht sein. Das beliebte Künzelsauer Amateurtheater lädt zu einem kleinen, feinen Theaterevent mit zwei Aufführungen in extravagantem Ambiente ein.

Wann: Am Mittwoch, 9. September, um 19.15 und 21 Uhr
Wo: In der Kulturfabrik Alter Bauhof (Bahnhofstraße 38)

Zwar musste der Theaterverein nach einjähriger Spielpause aufgrund des Umbaus des Kocherfreibades im März auch die Sommertheatersaison 2020 absagen. Die Inszenierung von Nestroys Posse "Der Talisman", zu der die Proben bereits weit gediehen waren, wurde auf die Saison 2021 verschoben. Doch Theaterleidenschaft und Schauspiellust sind auch in Coronazeiten ungebrochen. Im September beteiligt sich die Laienspieltruppe um Regisseur Franz Bäck nun an der weltweiten Lesung der Menschenrechte für die Demokratiebewegung in Hongkong, zu der das Internationale Literaturfestival Berlin aufruft, und lädt zu einem besonderen Theaterexperiment. "In Zeiten, die die Gesellschaft weltweit vor besondere Herausforderungen stellen, darf auch Amateurtheater besondere Wege gehen - und sich etwas politischer positionieren als gewohnt", erklärt Heiner Sefranek den etwas anderen Ansatz des Projekts und freut sich, "dass wir nach zwei Jahren Zwangspause mal wieder ein Lebenszeichen von uns geben können, - und das in einem so spannenden Ambiente, in dem sich ganz neue Möglichkeiten auftun!“ Franz Bäck (Gesamtregie) hat zusammen mit Nina Weitzner (Regie Quadrat und Ausstattung) und Bernhard Tiemann, dem zweiten Vorsitzenden des Theatervereins (Musikalische Begleitung), einen außergewöhnlichen dramaturgischen Bogen für das 40 Minuten kurze Theaterevent entwickelt.

Die Stadtverwaltung Künzelsau unterstützt das große Engagement des Theatervereins gern und stellt ihm die ehemalige Reisser-Produktionshalle im Alten Bauhof als alternative Spielstätte zur Verfügung. Vereinsmitglieder haben sie in einer Gemeinschaftsaktion in eine Kulturfabrik verwandelt.

Unter dem Titel "Wir Wilden haben auch unsere Kultur" ist die Lesung der Menschenrechte in eine szenische Collage aus Samuel Becketts "Quadrat" und Ausschnitten aus Johann Nepomuk Nestroys Faschingsburleske "Häuptling Abendwind oder Das gräuliche Festmahl" eingebettet. Becketts Figuren (Norbert Böttigheimer, Lutz Funke, Jacqueline Sefranek, Sabine Tiemann), die wortlos und beziehungslos, aber nach einem klaren System durch ein Quadrat gehen und damit (vielleicht?) die Monotonie des ewig gleichen sinnlosen Kreislaufs symbolisieren, stehen dabei in einem doppelten Kontrast: Einerseits zu den Texten der Menschenrechte, die ein nicht realisiertes Ideal postulieren, andererseits zum kruden Dialog zweier Menschenfresserhäuptlinge (Angela Bayer und Nadja Hrubesch) als Parodie über dumpf-nationalistische Machtpolitiker, die auch aktuell in der Weltpolitik wieder zunehmend fröhliche Urständ feiern. "Diese auf den ersten Blick verwegene Kombination aus dem stummen Beckettschen Spiel, der skurrilen Komödienszene und der Verlesung von Menschenrechtstexten schafft eine eigene ästhetische und inhaltliche Dimension, die über die einfache Beantwortung komplexer Fragen hinausweisen soll. Der experimentelle Charakter des Abends besteht in dem Versuch, diese so unterschiedlichen und eigentlich unverbundenen literarischen Einzelteile zu einem eigenen Ganzen zusammenzufügen, der den Blick auf Altbekanntes ein wenig verändert und irritiert", so Bäck.

Coronabedingt ist die Besucherzahl pro Aufführung auf 50 Personen begrenzt. Corona-Sicherheitsmaßnahmen, Abstands- Hygieneregeln werden beachtet. Bis zur Einnahme der Plätze herrscht für Theaterbesucher Maskenpflicht. Vorherige Anmeldung auf der Homepage des Theatervereins www.theater-im-fluss.com zwingend erforderlich. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.