Blick auf das neue Rathaus in Künzelsau.

Meteorologe Sven Plöger zum Klimawandel: Vom Erkennen und Reden ins Tun kommen

Gelungener Jahresauftakt: Neujahrsempfang im Rathaus  – Stadtverwaltung präsentiert sich und ihre Aufgaben durch ideenreiche Mitmachangebote rund um das Thema Klima

zwei Männer an einem Stehtisch auf dem das Goldene Buch liegt.
Sven Plöger trägt sich in das Goldene Buch der Stadt ein. Bürgermeister Stefan Neumann - links im Bild. Fotos Olivier Schnipp, Foto Linke GmbH

Schon eine halbe Stunde bevor sich der Haupteingang des Künzelsauer Rathauses am 13. Januar 2023 zum Neujahrsempfang öffnet, stellen sich die Gäste zum Einlass an. Der Empfang ist ausgebucht. Im Rathaus werden die Gäste bis zur Begrüßung durch Bürgermeister Stefan Neumann und dem Vortrag des Meteorologen Sven Plöger auf allen Etagen von einem ideenreichen und interessanten Mitmachangebot unterhalten: Glücksrad, Dartspiel, Kapla-Bausteine, Virtual-Reality-Brille, Klima-Quiz, Kinovorführungen und mehr, haben allesamt ein Ziel gemeinsam: den Gästen auf unterhaltsame Art die Themen und Aufgaben der Stadtverwaltung nahe zu bringen – immer unter dem Themenschwerpunkt Klima. „Aus unserer Strategie 2023 heraus haben wir dieses Jahr 2023 unter das Motto ‚Zukunft Klima‘ gestellt“, so Bürgermeister Stefan Neumann bei der Begrüßung. Gekommen sind die Ehrenbürger Ursula und Albert Berner, die Bundestabgeordneten Christian von Stetten, Harald Ebner, Valentin Abel, Stadträtinnen und Stadträte, Ortsvorsteher, zahlreiche Vertreter von Wirtschaft, Banken und Kirchen, Künzelsauer Einwohnerinnen und Einwohner, Gäste von außerhalb und die vielen Mitwirkenden – darunter Joachim Schröder vom Klimazentrum, Volker Schmid und Tobias Bohnhardt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Team von Würth IT und der Georg-Wagner-Schule.

„Zum Optimismus gibt es keine Alternative“

„Wir begrüßen gemeinsam das neue Jahr und wollen es mit dem Gefühl der Hoffnung und des Optimismus beginnen. Denn: Zum Optimismus gibt es keine Alternative“, so eröffnet Bürgermeister Stefan Neumann den Abend. Generell könne Kunst, wie auch die in der aktuellen Ausstellung im Rathaus „Kunst trifft Klima“ des Künstlers Klaus Hub, „ein Hebel sein, Bewusstsein für das Klima zu schärfen und zu schaffen, hierüber ins Gespräch zu kommen und so selber ins Tun zu kommen.“ Die Stadt, die Stadtgesellschaft, wolle ihren Teil zum besseren Umgang mit den Ressourcen beitragen.

Handlungsfähiger Staat und leistungsstarke Kommunen werden gebraucht

Kommunen sind auf die Unterstützung von Bundes- und Landespolitik angewiesen. Neben dem Strategiethema „Zukunft Klima“, das der Künzelsauer Gemeinderat für das Jahr 2023 definiert hat, existieren noch weitere herausfordernde Themen für die Städte und Gemeinden, an die Stefan Neumann erinnert: die Folgen der Corona-Pandemie, die Versorgung von immer mehr geflüchteten Menschen und generell zu wenig Wohnraum, immer höhere Vorgaben, den Ausbau von Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, die Aufrechterhaltung von Infrastruktur bei unsicherer Energieversorgung, die Sicherung des sozialen Friedens und vieles mehr. „Wir alle treten an, um unserer Verantwortung gerecht zu werden, wir treten für Staat und Gesellschaft ein“, so Bürgermeister Stefan Neumann und mit einem Appell an die Politik bekräftigt er, „dass wir die Grenze der Leistungsfähigkeit des Staates, unserer Städte und Gemeinden erreicht haben.“ Viele Leistungsversprechen ließen sich schon heute nicht mehr erfüllen. Es brauche jedoch einen handlungsfähigen Staat und leistungsstarke Städte und Gemeinden. „Wir können dem aber nicht mehr mit immer neuen Aufgaben, Rechtsansprüchen und Standards entgegentreten. Für die Legitimation von staatlichem Handeln, benötigt es Vertrauen in den Staat und die Demokratie. Die Leistungsfähigkeit ist ein wichtiger, sogar elementarer Vertrauensfaktor.“ Es brauche mehr als bloße Aufgabenkritik. Aus diesem Grund haben Gemeinde- und Städtetag gemeinsam mit dem Landkreistag und weiteren Verbänden einen „Zukunftskonvent“ gefordert. Das sollte keine Arbeitsgruppe in den Ministerien, sondern ein vom Ministerpräsidenten und dem Landtag gesteuertes Gremium sein. „Wir benötigen einen echten Ermutigungs- und Entfesselungsakt, der uns aus dem überregulierten Gesetzesrahmen befreit.“ Das gelte auch für den Bund. Dem Ländle stehe es aber gut zu Gesicht, mutig voranzugehen. „Mutig voran geht stets die Kommunalpolitik in unserer Stadt“, sagt Stefan Neumann und nennt markante Zeichen, die gesetzt werden wie beispielsweise der gebührenfreie Kindergarten oder das Energiepolitische Arbeitsprogramm der Stadt.

viele Besuchende im Sitzungssaal
Volles Rathaus - im großen Sitzungssaal während des Vortrags von Sven Plöger. 

Gemeinsame Lösungen für die Menschheit – „Fokussieren wir das Gute“

Eine Stadt brauche engagierte Einwohnerinnen und Einwohner und eine aktive Wirtschaft, so Stefan Neumann. „Der Klimawandel gehört, wie die Armuts- und Elendsbekämpfung, die Artenvielfalt und viele andere Themen mehr zu den großen Menschheitsherausforderungen“, fährt Stefan Neumann fort. Die globalen Verflechtungen müssten gemeinsam genutzt werden. „Gemeinsame Interessen können nur gemeinsam für die Menschheit gelöst werden. Wir befinden uns gerade in einer Phase, wo Aufrüstung und lokale Kriege, eskalierende Konflikte immer Gefahr laufen, zum Weltkrieg zu mutieren. Wir brauchen keinen Rückfall in die Konflikte der letzten beiden Jahrhunderte. Jeder kann an seiner Stelle einen Teil zu einer besseren Welt beitragen“, hält Stefan Neumann fest und fordert auf: „Fokussieren wir das Gute, fokussieren wir gemeinsame Themen und Herausforderungen. Vergessen wir nicht, dass der Klimawandel und die Klimafolgenanpassung die ganze Welt betreffen. Eine Veränderung im Bewusstsein und im Tun muss aber auch und insbesondere bei uns selbst beginnen.“

Dieser Planet braucht uns nicht – aber wir brauchen ihn!

Dass der Klimawandel in vollem Gange ist, zeigt der Meteorologe Sven Plöger eindrucksvoll mit Daten und Beispielen aus Forschung und Wissenschaft in seinem Vortrag auf. Humorvoll aber bestimmt nimmt er die Gäste des Abends mit durch Klima-Statistiken und -Prognosen: „Wenn jetzt noch jemand nicht sieht, dass es wärmer wird, muss er zum Optiker. Die Klimakrise ist ein Thema, das wir nicht ignorieren können.“ Eindrucksvolle Bilder vom rasant kleiner werdenden Grindelwald-Gletscher und dem Feldsturz, der der Stieregghütte in den Schweizer Alpen buchstäblich den Boden geraubt hat, machen betroffen und deutlich, wovon der bekannte Meteorologe spricht. „Der Klimawandel ist ein schleichender Prozess, der aber schon jetzt dramatische Auswirkungen in den Bergen hat. Wenn das Eis dort taut, zerfallen die Berge. Wenn die Gletscher weg sind“, so Sven Plöger, „können sie kein Wasser mehr liefern.“ Die Folge werde sein, dass die Flusspegel weiter sinken. Das hat Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung, die Schifffahrt und die Kühlung von Atomkraftwerken, die in Frankreich zeitweise deshalb sogar abgestellt werden mussten. Deshalb seien die Erneuerbaren Energien der Weg, Investitionen in diesem Bereich nicht nur sinnvoll und notwendig, sondern auch in finanzieller Hinsicht dringend. „Jeder nicht vernünftig in Klimaschutz gesteckte Euro muss mit zwei bis elf Euro zurückgezahlt werden.“

Nicht Beschimpfen, aber zum Nachdenken anregen

Es bestehen Chancen, wenn die Gesellschaft Dinge tut. Um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, müsste die Einsparung an CO₂-Emissionen jährlich so groß sein wie durch den Shutdown. Das wäre möglich, aber dazu müssen alle ihr Verhalten ändern, so Plöger. „Fast alle wissen, was wir tun könnten und tun es nicht. Kaufen Sie Ratgeber. Lesen Sie diese und machen Sie dann.“ Wie schwer das fällt, macht er mit verschiedenen Beispielen deutlich, möchte dabei nicht beschimpfen, aber zum Nachdenken anregen. „2019, wo wir so viel über Umweltschutz gesprochen haben, haben wir gleichzeitig so viele Flugreisen und Kreuzfahrten gemacht und SUVs gekauft, wie noch nie zuvor.“ Mit Blick auf die Treibhausgase liege Deutschland im weltweiten Vergleich auf Platz sechs von 194 Ländern – in absteigender Reihenfolge hinter China, USA, Indien, Russland und Japan.
 
Begeistert berichtet Plöger über Tony Rinaudo den Waldmacher, der 2018 den „alternativen Nobelpreis“ bekommen hat. In Äthiopien und auch in anderen Ländern hat der Australier mit dem Grundwasser verbundene Pflanzen von überflüssigen Ästen befreit und mit Hilfe eines Entwicklungshilfeprojektes dafür gesorgt, dass Mensch und Tier nicht an die Pflanzen gehen (Brennholz, Futter) und so für das Entstehen ganzer Waldgebiete gesorgt.
 
Schließlich spricht sich Sven Plöger für ein Engagement zum Wohl der Gesellschaft – beispielsweise ein Soziales Jahr – aus. „Wenn jeder Mensch ein Jahr seines Lebens für die Gesellschaft, die Allgemeinheit einsetzen würde, wäre das eine persönliche Bereicherung. Es würden aber auch Dinge passieren, die uns allen – der Gesellschaft – guttun. Denn: Dieser Planet braucht uns nicht – wir aber ihn!“

drei Personen im Gespräch
Aktionen in allen Fluren und auf allen Ebenen im Rathaus haben die Besuchenden zum Mitmachen eingeladen.

Gelungener Jahresauftakt und hervorragende Teamleistung

Den Neujahrsempfang haben die Besucherinnen und Besucher gemütlich ausklingen lassen. Auf allen Stockwerken im Künzelsauer Rathaus war etwas geboten. Die Kooperation von den Schülerinnen und Schülern zweier städtischen Schulen – Georg-Wagner-Schule, Ganerben-Gymnasium -, den Auszubildenden von Würth IT und Tobias Bohnhardt, dem Leiter des DLR_School_Lab Berlin, präsentierten, wie sie eine interaktive Weltraumausstellung im Stadtmuseum gestalten. Am Satelliten-Modell EnMAP erläuterte Volker Schmid vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), wie damit eine hochauflösende Erdbeobachtung möglich ist. Die Catering-AG der Georg-Wagner-Schule sorgte fürs leibliche Wohl, Uwe Saußele und Ralph Hanl für die musikalische Umrahmung. „Wir haben uns als Team der Stadtverwaltung hervorragend präsentiert und unseren Gästen einen gelungenen Abend mit interessanten Gesprächen bereitet“, bedankt sich Bürgermeister Stefan Neumann.

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