Blick auf das neue Rathaus in Künzelsau.

Neckarsulm und Künzelsau setzen sich für zukunftsfähige Modelle in der Innenstadt ein

Offener Brief an das Sozialministerium

Rathaus Künzelsau
Das Künzelsauer Rathaus. Foto Olivier Schniepp, Foto Linke GmbH.

Bereits am Freitag, 26. März 2021 hat sich die Stadt Künzelsau mit vielen weiteren Städten in einem offenen Brief an Herrn Ministerpräsident Kretschmann, Frau Ministerin Hoffmeister-Kraut und Herrn Minister Lucha für eine sichere Öffnungsstrategie in Städten ausgesprochen und sich als Modellkommune angeboten. Die Anträge der Stadt Neckarsulm und der Stadt Künzelsau wurden daraufhin abgelehnt. Am Dienstag, 6. April 2021 haben sich der Oberbürgermeister der Stadt Neckarsulm, Steffen Hertwig, und der Bürgermeister der Stadt Künzelsau, Stefan Neumann, erneut mit einem offenen Brief an Herrn Minister Lucha gewandt:

Sehr geehrter Herr Minister, lieber Herr Lucha,

vielen Dank für Ihre schnelle Reaktion auf die Anträge der Städte Neckarsulm und Künzelsau sowie vieler weiterer Kommunen in Baden-Württemberg.

Sie haben entschieden, dass es vorerst keine weiteren Modellversuche nach dem Vorbild der Stadt Tübingen geben wird. Auch für uns als Oberbürgermeister und Bürgermeister steht der Gesundheitsschutz der Bevölkerung an oberster Stelle. Deshalb haben wir angesichts steigender Inzidenzwerte Verständnis für Ihre Haltung.

Als Oberbürgermeister und Bürgermeister sind wir aber auch für unsere Innenstädte und die Versorgung der Bürger verantwortlich. Und diese Innenstädte stehen kurz vor dem Kollaps, die Gefahr ist groß, dass Pandemie und Lockdown-Maßnahmen verödete Stadtzentren hinterlassen. Daher appellieren wir an Sie, mit großer Offenheit und Kreativität in die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden zu gehen. Wir brauchen möglichst rasch Modelle, die den Gewerbetreibenden Perspektiven bieten. Jeder Tag, der verstreicht, bringt viele Unternehmer der Insolvenz näher.

Schon bevor die Corona-Pandemie über das Land hereingebrochen ist, haben viele Einzelhändler, aber auch Gastronomen um ihr Überleben gekämpft. Auch wegen des wachsenden Online-Handels, der zum Teil in Deutschland keine oder nur geringe Steuern bezahlt. Die Geschäfte und viele Dienstleistungen in unseren Innenstädten waren bis zum Ausbruch der Pandemie getragen von Unternehmern, deren Motivation hauptsächlich aus zwei Elementen besteht: Eine gerade noch darstellbare Wirtschaftlichkeit und eine gehörige Portion Idealismus. Der Lockdown macht das Gewerbe (trotz Hilfszusagen) mindestens vorübergehend unwirtschaftlich. Was indes noch schwerer wiegt: Unsere Gewerbetreibenden haben erst mit Unsicherheit, dann kämpferisch, dann zunehmend ratlos und schließlich mit Verzweiflung reagiert. Nun aber stehen wir angesichts fehlender Perspektiven ganz kurz vor dem letzten Schritt. Wenn aus Verzweiflung Resignation geworden ist, wird es die Innenstädte, wie wir sie bislang kannten, nicht mehr geben.

Wir, die Kommunen, unterstützen das Gewerbe nach Kräften. Wir kreieren Gutscheinaktionen, reduzieren oder verzichten auf Mietzahlungen in kommunalen Gebäuden, unterstützen die Unternehmer dabei, sich dem Strukturwandel anzupassen. Doch all dies wird erfolglos bleiben, wenn aus Bürgern keine Kunden werden dürfen.

Bitte teilen Sie uns mit, wie wir Sie dabei unterstützen können, zukunftsfähige Modelle zu entwickeln. Bitte teilen Sie uns mit, nach welchen Kriterien Sie über die Genehmigung von Modellversuchen entscheiden werden, damit wir uns sofort an die Arbeit machen und dann schnell in die Umsetzung gehen können.

Wir schaffen es als Kommunalpolitiker nicht mehr, vor Ort den Menschen zu erklären, weshalb beispielsweise große Lebensmittelhändler, die teilweise auch Sortimente im Bekleidungssegment führen, unbeschränkt öffnen dürfen, der kleine Innenstadthändler, der allenfalls wenige Kunden gleichzeitig im Laden hat, jedoch nicht. Für solche als Ungerechtigkeit empfundenen Regelungen gibt es viele Beispiele. Und Ungerechtigkeiten kosten Akzeptanz.

Wir Kommunen sind bereit, an Ihrer Seite alles dafür zu tun, damit unser Gewerbe eine Zukunft hat. Bitte lassen Sie uns schnell gemeinsam Lösungen finden.

Mit besten Grüßen

Steffen Hertwig, Oberbürgermeister Stadt Neckarsulm, und Stefan Neumann, Bürgermeister Stadt Künzelsau

Der offene Brief vom 26. März 2021 ist hier nachzulesen: https://kuenzelsau.de/,Lde/staedte+fuer+eine+sichere+oeffnungsstrategie