Blick auf das neue Rathaus in Künzelsau.

Sitzungssaal im Rathaus wird zum Klassenzimmer

Ganerben-Klasse tauscht sich mit Bürgermeister Neumann aus

Schüler im Sitzungssaal im Rathaus hören Bürgermeister Stefan Neumann zu.
Foto Rainer Lang, Stadt Künzelsau

Zwei Tage lang ist das Künzelsauer Rathaus zum Klassenzimmer geworden. Im Großen Sitzungssaal, in dem sich sonst die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte über kommunalpolitische Fragen die Köpfe heiß reden, haben sich knapp 80 Schülerinnen und Schüler der achten Klassen des Ganerben-Gymnasiums mit der Praxis in der Kommunalpolitik beschäftigt. Veranstaltet hat den Aktionstag „Schule trifft Rathaus“ die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) in Zusammenarbeit mit der Stadt Künzelsau. Höhepunkt für die Jugendlichen war das Gespräch mit Bürgermeister Stefan Neumann.

Als „ganz besonders Format“ bezeichnete es Vera Kira Wettengel vom LpB-Team, direkt im Rathaus sitzen zu können. Das sei was anderes als in der Schule, wo die Aktionstage normalerweise stattfinden, fügte die studierte Verwaltungsfachfrau hinzu. Mit Politikwissenschaftlerin Vera Schapitz moderierte sie einen der beiden Aktionstage. Beide zeigten sich beeindruckt, dass die jungen Leute ein solides Wissen über Kommunalpolitik mitgebracht hatten.
Gemeinschaftskunde-Lehrerin Michelle Kinbacher bestätigte, dass dem Bildungsplan gemäß das Thema in der achten Klasse behandelt wird. Jedenfalls haben die Jugendlichen schnell unterscheiden können, welche Aufgaben zu den Pflichten der Kommune gehören und welche freiwillig sind. Dass eine Bücherei oder ein Schwimmbad nicht gebaut werden müssen, aber Standesamt und Müllabfuhr da sein müssen, war allen klar.

Schüler unterhalten sich angeregt.
Foto Rainer Lang, Stadt Künzelsau

Aber dass sie dazu die Erklärung lieferten, dass die Müllentsorgung nicht jede Gemeinde allein regeln müsse, sondern dies auch der Landkreis übernehmen könne, fanden die Moderatorinnen bemerkenswert. Ihr Ziel ist es nicht nur, das im Unterricht erworbene Wissen zu festigen, sondern den Jugendlichen auch Wege aufzuzeigen, wie sie ihre Gemeinde mitgestalten können. Schließlich haben nach ihren Worten kommunalpolitische Entscheidungen unmittelbare Auswirkungen auf das Alltagsleben. Dennoch würden viele besser über die große Politik Bescheid wissen.

Lina Heussler und Fareeha Mirza hätten nicht gedacht, dass so viele Leute im Gemeinderat sitzen. Genauso wie Dragos Scripariu und Hanne Gotthardt fanden sie es spannend, auf „Traumreise“ zu gehen, um eigene Ideen zu entwickeln für eine Gemeinde nach ihren Vorstellungen. Daraus wurden vier Vorschläge als Grundlage für das Gespräch mit dem Bürgermeister ausgewählt. Ganz oben standen ein besserer öffentlicher Nahverkehr sowie ein Einkaufszentrum mit besonderen Läden. Auch ein öffentlicher Park mit Hundetreff sowie ein Airsoft-Park wurden vorgeschlagen.

Stefan Neumann fand einige Anknüpfungspunkte, wenn er auch den Airsoft-Park eher als Privatsache ansieht. Die Klage über den etwas heruntergekommenen Zustand der Wertwiesen von Loana Messow und Leni Hirsch konnte er zwar nicht so recht nachvollziehen, versprach aber, die Sache zu prüfen. Der von den Schülerinnen vorgeschlagene Hundetreff liegt zwar auch im Interesse der Stadtverwaltung, ist aber aus Gründen des Gewässerschutzes, direkt am Kocher nicht möglich, wie Neumann betonte. Weitere Ideen der Schülerinnen zu den Wertwiesen, wie mehr Liegen, Flächen zum Chillen und Grillen und abwechslungsreiche Spielplätze, wurden sehr positiv aufgenommen.

Schüler stimmen über einen Sachverhalt ab.
Foto Rainer Lang, Stadt Künzelsau

Der Bürgermeister versteht den Wunsch nach mehr Läden für junge Leute. Die Stadtverwaltung tue ihr Möglichstes, um für alle Altersgruppen attraktive Geschäfte anzusiedeln, aber da sei die Verwaltung auf die Eigentümer angewiesen, betonte er gegenüber den Schülerinnen und Schülern, die erstaunlich gut informiert waren über die Planungen für neue Geschäfte. Beim öffentlichen Nahverkehr seien die Pläne für die Reaktivierung der Kochertalbahn zwar schon recht weit gediehen, die Umsetzung dauere jedoch mindestens zehn Jahre.

Neumann bezeichnete die Mobilität als einen der zentralen Schwerpunkte für Künzelsau. So soll ein Rufbussystem, das gegenwärtig erprobt wird, künftig für flexiblere und bessere Anbindungen sorgen. Dazu soll der Citybus umfunktioniert werden, für den die Stadtverwaltung schon jetzt 130.000 Euro im Jahr ausgibt. Insgesamt sei Nahverkehr zu 90 Prozent Schülerverkehr, betonte Neumann.

Schüler stellen Fragen an Bürgermeister Stefan Neumann.
Foto Rainer Lang, Stadt Künzelsau.

Abhilfe versprochen hat er bei der Sporthalle des Ganerben-Gymnasiums, die 2025 saniert werden soll. Denn nach Auskunft der Schülerinnen und Schüler ist das Dach schon jetzt undicht. „Ganz wichtige Sachen machen wir natürlich zeitnaher schon“, bekräftigte er. Der Bürgermeister stellte sich auch ganz persönlichen Fragen. Zum Beispiel, wie er auf die Idee gekommen sei, Bürgermeister zu werden. Da habe der Zufall eine große Rolle gespielt, räumte Neumann ein. 

Weiter wollten seine Gäste wissen, wie es denn sei, im Rathaus zu arbeiten, warum manche Entscheidungen länger als andere dauern, wie er persönlich zum Naturschutz stehe und was für ihn am schwierigsten sei. Die schwersten Entscheidungen seien immer diejenigen, wenn man sich von Mitarbeiterinnen oder -mitarbeiten trennen müsse, räumte Neumann ein. Als Julia Knobel vom Hauptamt nach der persönlich geprägten Gesprächsrunde die jungen Gäste im Rathaus fragte, ob sie es gut finden würden, wenn es von Seiten der Stadtverwaltung mindestens einmal im Jahr eine Umfrage an Schulen geben würde, gab es einhellige Zustimmung. Bürgermeister Neumann fand es toll, dass seine Gäste so viele Ideen hatten.